3 S E R I E
TONSTUDIOS
bew ährte T echnik erw eitert. So arbeitet
m an neben dem analogen „custom -m ade“
56-K analm ischpult von Anfang der 80er
Jahre inzw ischen auch m it einem P ro -
Tools H D 3-System (ein frü h erer A pple
G 3 -C o m p u ter k o m m t n icht m eh r zu m
Einsatz), und m it Hilfe eines DAIS A D /
DA C onverterrack (wandelt analoge Sig-
nale in digitale um und um gekehrt) und
G lasfasernetzen im ganzen H aus lassen
sich n u n auch K onzerte aus der Halle im
Erdgeschoss im C an Studio m itsch n ei-
den. In anderer Hinsicht hat m an ebenfalls
aufgerüstet: „D ie F irm a M B akustik hat
den R aum kom plett auf R esonanzen hin
durchgem essen und entsprechende M ate-
rialien zur D äm pfung u n d Diffusion aus-
gesucht: eine Kom bination aus Teppichen,
Schaum stoffabsorbern in Kreisform unter
der Decke u n d variablen A bsorbern auf
Rollen in Stellwandform , die w ir zurzeit
hauptsächlich zur Schlagzeugabschirmung
nutzen“, so G rotenhoff.
D ennoch war es für den erfahrenen Stu-
dioingenieur ein Lernprozess, in einem
akustisch n ic h t abgeschirm ten Regie-
rau m zu arbeiten: „N orm al h ö rt m an
ja entw eder S tudiom onitore in einem
R egieraum oder die A nlage bei einem
C lubkonzert, im C an S tudio dagegen
A ufnahm e- u n d Live-Signal zugleich.
Deshalb ist adäquat zu m ischen schwer“.
U m zu ü b erp rü fe n , ob zu m Beispiel
ein G itarrensolo sauber sei, verw ende
Bei Studiokonzerten werden die Signale von
Vintage-Mikrofonen über Glasfaser hin zum
Aufnahmesystem ProTools HD3 weitergeleitet
Signalweg Recording
Aufnahmeraum/Konzertsaal
Vintage-Mikrofone
Vintage-Micpreamps (Zähl-Konsole)
Vintage-Outboard (Urei, Teletronix,
Amek)
64 HighEnd AD Converter (DAIS)
MADI via FiberFox-Glasfaser
ProTools HD3 f. Recording und Editing
Yamaha 02R96 mit 64 i/o für
Headphone-Mix und Abhöre
U
Ic h w a r e i n
Z a u b e r l e h r l i n g
/ /
René Tinner hat als Mitarbeiter von Can und
späterer Produzent und Inhaber des Can Stu-
dios diese Institution wesentlich mitgeprägt
Wie sind Sie zu Can gekommen?
Mit
2 0
verließ ich die Kunstgewerbeschule
in St.Gallen und ging nach Zürich. Einer
meiner ersten Kontakte zur Technik bestand
darin, dass ich für einen Professor der Eid-
genössischen
Technischen
Hochschule
Platinen lötete, damit seine Studenten bei
Demonstrationen
lautere
Megafone
hat-
ten als die Polizei (lacht). Dieser Profes-
sor baute auch Geräte für Can. Ich wollte
etwas mit Musik machen und hab' dann
einen Brief an die Band geschrieben, ohne
zu wissen, wer das ist. Schließlich bin ich
nach Köln gefahren und betreute in erster
Linie für Can die Konzerte inklusive Aufbau
und Abbau, LKW fahren, Saalbeschallung
usw.
. Aber von Anfang an interessierte mich
besonders, was sie in ihrem Studio trieben, ob-
wohl ich zunächst nichts davon begriff.
Stimmt es, dass Sie 1973 auf Vorschlag des
legendären Produzenten Conny Plank die
Rolle des Toningenieurs übernahmen?
Das weiß ich nicht mehr. Bei Can gab es nie
einen Toningenieur außer Holger Czukay oder
gar einen Produzenten. Ich war der Lehrling,
sie die Zauberer. Can waren für mich ein Fas-
zinosum, durch sie habe ich die Musik neu zu
betrachten gelernt.
Wer hat Sie außerdem geprägt?
Ich habe mir alles durch Zugucken bzw. „Trial
& Error" angeeignet. Nachdem Can
1 9 7 8
ihre
Aktivität eingestellt hatten, bin ich für zwei
Jahre zum Delta Studio nach Norddeutsch-
land zu Manfred Schunke gewechselt, um mit
Kunstkopf-Stereophonie zu experimentieren.
Zum
Beispiel schmierten wir einen Kunst-
kopf mit Honig ein und hielten diesen in einen
Bienenstock,
das
Schwirren
der
Bienen
nahmen wir über eine Nagra auf. Durch einen
Hamburger Journalisten
bekam
Lou
Reed
davon Wind, für den ich ein halbes Jahr später
im New Yorker Club Bottom Line zehn Konzerte
in
Mehrspurtechnik
aufzeichnete,
darunter
war auch je ein Kunstkopf im Publikum und
auf der Bühne - das Resultat wurde später auf
dem Album „Take No Prisoner" veröffentlicht.
Ab
1 9 8 0
wurde Conny Plank eine Art Mentor für
mich. Er ermutigte mich auch dazu, Cans ehe-
maliges „Inner Space Studio" als Can Studio
neu entstehen zu lassen und unterstützte mich
ebenfalls in puncto Technik. Es prägten mich
viele Leute wie zum Beispiel Joachim Witt, Trio
mit Klaus Voormann, Marius-Müller Western-
hagen, Hubert von Goisern, David Sylvian und
sicher auch Jim Capaldi: Typen mit Visionen.
Was hat den Ruf des Can Studios begründet?
Das Studio hatte eine Atmosphäre, die ihres-
gleichen suchte.
Einzigartig war, dass
es
keinen Regieraum gab, die Musiker somit
nicht vom Produzenten durch eine Scheibe
getrennt wurden. Viele Studios der
8 0
er und
9 0
er Jahre wirkten ja eher wie Zahnarztprax-
en, so dass Bands Angst bekamen, einen
falschen Ton zu spielen; und wenn Asche auf
den Boden fiel, wurde gleich die Putzkolonne
alarmiert. Weil das Can Studio alles andere
als steril wirkte, haben sich dort viele Bands
sehr wohlgefühlt. Das Schöne war auch die
Größe. Jeder hatte Platz, man ging sich nicht
auf den Zeiger, auch wenn man dort zehn und
mehr Stunden verbrachte.
Hat sich die entspannte Atmosphäre auch
auf die Arbeitsweise übertragen?
Wie war die technische Ausstattung?
Zu Can-Zeiten stand ein 8-Spur-Mischpult
zur Verfügung, und die ersten sieben oder
acht Platten sind nicht in Mehrspur-Technik
aufgezeichnet worden, sondern als fertiger
Mix in Stereo. Als ich das Studio übernahm,
war es für mich ein großer Glücksfall, dass
ich über Conny Plank Michael Zähl kennen
lernte, der bei ihm als Servicetechniker ar-
beitete. Conny hatte damals als Mischpult
eine M CI-
5 0 0
-Konsole gekauft, wo Mikro-
fon- und Monitorweg auf demselben Kanal
sind (in Line-Technik), was Platz und Kosten
spart - dennoch konnte ich mir selber
damals so etwas nicht leisten. Conny emp-
fahl dann, dass Michael das einfach kopiert,
wobei er aus Kostengründen all das weg-
lassen sollte, was für das Arbeiten nicht
wichtig ist. Eine gute Entscheidung, denn
dieses Mischpult hat bis zum letzten Tag nie
Stress gemacht.
Ist zu Can-Zeiten Bassist Holger Czukay
tatsächlich einmal mit einem Hammer auf
Drummer Jaki Liebezeit losgegangen?
Ich kenne das nur vom Hörensagen, selber
habe ich das nie erlebt.
40 STEREO 4/2014
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